Ich bin nun endlich auch gedanklich von einer der sinnreichsten und wichtigsten Wochen meines Lebens aus Brüssel zurück.
Diese eine Woche intensiver Gespräche mit Mitglieder der im Europarlament mit dem Thema befassten Aussschüsse und der Europäischen Kommission hat mich noch einmal darin bestärkt, wie wichtig es ist, dass es MOGiS gibt, dass wir auch auf allerhöchster politischer Ebene für uns selber sprechen.
Die Entwurf der Europäischen Kommission betrifft ja nicht nur Internetsperren, sondern Missbrauchsbekämpfung ganz allgemein. [^0]
Gerade zum Thema Kinderschutz herrscht im Moment gerade soetwas wie eine hysterische Hilflosigkeit. Der Abschreckungseffekt von neuen und höheren Strafen ist bei dieser Art von Verbrechen inzwischen minimal bis nicht-existent.
Inzwischen ist es sogar so, dass die aus der Hilflosigkeit geborene Hysterie den natürlichen Umgang von Erwachsenen mit Kindern in der Öffentlichkeit und damit die Entwicklung von Kindern gefährdet. [^1] [^2]
Kindern, denen Annahme, Unterstützung und Anerkennung zu Hause nicht ausreichend zur Verfügung steht, werden so m.E. noch mehr in die Arme von Fremdtätern getrieben, denn es werden eher die normalen Leute sein, die sich nicht in den Verdacht bringen werden wollen Kinder sexuell auszubeuten. Übrig bleiben werden die Täter, für die Ächtung sexuellen Kindesmissbrauchs schon jetzt als letzte Hürde versagt hat.
Kindern, die zu Hause vernachlässigt, misshandel und missbraucht werden, stehen so demnächst vielleicht noch weniger Vertrauenspersonen zur Verfügung. Wahrhaftige Menschen, die es eigentlich braucht um dem inneren Leid ein Ventil zu geben und die Kinder etwas zu entlasten. Beim wem sollen sie sich denn noch Rat suchen und ausweinen können, wenn sich kein normaler Erwachsener mehr traut ein fremdes Kind in den Arm zu nehmen oder sich gar erst für ein Vier-Augen-Gespräch zu verabreden?
Deswegen braucht es in dieser Diskussion auch eine rationale Stimme, gerade wenn sie von Überlebenden sexuellen Missbrauchs erhoben wird.
Dieser Entwurf und die in der Europäischen Union angestoßene Diskussion zur adäquaten Missbrauchsbekämpfung und angemessenen Hilfen für Opfer gibt uns nun die einmalige Chance auf sehr hohem Niveau in die Diskussion einzusteigen.
In den nächsten ein bis zwei Jahren werde Ich häufig in Brüssel sein müssen. Es wäre schön, wenn noch mehr Leute in Betracht ziehen unsere Arbeit gegen Internetsperren und für eine effektive Missbrauchsbekämpfung und adäquaten Opferschutz und -hilfen mit einer Spende oder einer Fördermitgliedschaft unterstützen. Denn nur so wird es mir und MOGiS ermöglicht unsere Stimme für die Bedürfnisse von Betroffenen angemessen zu erheben.
Ehrlich gesagt wäre es jetzt sogar notwendig für ein bis zwei Jahre Vollzeit an dem Thema zu arbeiten. Das ist vielleicht etwas sehr visionär, wäre aber genau jetzt sehr wichtig. Dadurch würde es nämlich ermöglicht Überlebende in der Debatte angemessen zu vertreten und damit dann den größtmöglichen Impact zu haben. [^3]
An dieser Stelle möchte ich nochmal all den Spendern danken, die es ermöglich haben dass ich in letzte Woche in Brüssel die Interessen von Opfern vertreten konnte.
[^0]: Ich möchte an dieser Stelle wirklich nochmal den [Entwurf der Richtlinie]( "Richtlinienentwurf 2010/64 als PDF") zur Lektüre empfehlen.
[^1]: Inzwischen gibt es Menschen (sogar schon 16-jährige Jungs und auch Frauen), die mit dem zwanghaften Gedanken leben müssen, sie könnten pädophil sein. Meines Erachten kommt das vor allem davon, dass die Neigung Pädophilie einerseits so extrem stigmatisierend ist und andererseits so wenig darüber bekannt ist, was Pädophilie tatsächlich bedeutet, nämlich _primär_ Kinder sexuell zu begehren. In diesem Zwiespalt gefangen beenden einige Ihr Leben, andere vergehen sich an Kindern um sich über Ihre eigenen Gefühle klar zu werden.
[^2]: Zumal, wenn man bedenkt, dass die Definition Kind auf alle Personen bis 18 Jahren ausgeweitet werden soll.
[^3]: Vielleicht werden dann bei einem Runden Tisch zur Aufarbeitung sexuellen Misbrauchs sogar mal Betroffene gehört. (Ganz im Kontrast zum [Runden Tisch]( "Runder Tisch gegen Kindesmissbrauch") in Berlin am Freitag dem 23.4.2010)