DPA Pressemitteilung und Zahlenspiele der Regierung

(Dieser Artikel ist etwas lang geworden .. Er hat am Ende aber einen echten Knüller parat .. jedenfalls finden Wir das .. wenn's also zu langweilig wird: zum Ende scrollen :) )

Da kommt doch gerade eine DPA-Pressemitteilung: "Bald erste Internet-Sperren für Kinderpornos" von Frank Rafalski, -dpa, die auch prompt völlig ungefiltert bei einigen (sonst auch kritischen) Medien aufgeschlagen ist:

Dabei sind die Datenmengen, die in Deutschland überprüft werden müssen, gewaltig. Nach Schätzungen gibt es bis zu 450 000 einzelne Seiten mit kinderpornografischem Inhalt, die täglich angeklickt werden.

Es handelt sich nicht um 450.000 einzelne Seiten, sondern um 450.000 vermutete Zugriffe (es waren auch schon mal 400.000 und davor auch 300.000). Da werden also mitnichten 450.000 Seiten jeden Tag überprüft!

Die 450.000 Zugriffe sind zudem auch noch Hochrechnungen der 15.000 bis 18.000 täglichen Hits, auf die Norwegische Liste (mit über 3.000 Einträgen), auf die deutsche Bevölkerung.

Die Anzahl der Zugriffe sagt aber zudem noch gar nichts aus über:


  1. die Intention derjenigen, die die Seite ansurfen

  2. die Inhalte, welche blockiert wurden


Diese erwähnten 18.000 Zugriffe setzen sich dann wahrscheinlich aus 14.000 Versuchen das supi-neue SchwulenPorno zu bekommen, 3.500 Versuche diesen bei Wikipedia verlinkten Zensurgegner zu erreichen und einem harten Kern von 500 Versuchen an illegale Inhalte zu gelangen. (Wir sind natürlich an belastbaren Zahlen interessiert, kann da nicht mal jemand mit entsprechendem Zugriff ein schnuckeliges Histogramm von Zugriffen auf seinen Sperrserver [welche ja auch in Finnland bei den Providern stehen] machen? So eine Art Top Ten der Domain-namen?)

Die Liste soll aber nur 1.000 Einträge haben (wo sie die hernehmen wollen ist eine andere Frage):

Fünf Internet-Anbieter, die 75 Prozent des Marktes bedienen, werden die Verträge mit dem BKA unterzeichnen. Die Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Alice/Hansenet, Kabel Deutschland und Telefonica/O2 verpflichten sich damit, die vom BKA täglich aktualisierten Listen mit etwa 1000 Internet-Seiten mit Kinderpornos zu sperren.

Na gut es wird erst mal also 75% der Einwahlkunden betreffen. Was ist mit Firmen, Behörden, Ministerien und auch dem Bundestag? Die Listen an irgendwelche Firmen zu verteilen wird ja nicht möglich sein .. da ist die Wahrscheinlichkeit zu groß, dass mal ganz schnell was wikileaked.

Zudem ist die Zahl mit den 1.000 Einträgen interessant. Die Finnen haben auch mal so gemütlich angefangen. Deren Liste ist ja auch ganz gut analysiert: 9 Seiten enthielten strafwürdige Inhalte, 28 Seiten hatten fragwürdigem Inhalt, 46 waren (legale) Kinder-Model-Seiten, 879 waren legale Pornographie (hauptsächlich gay-porn: überhaupt sind wohl in Finnland regelmäßig die ersten 4 Suchergebnisse nach "gay porn" gefiltert).

Zudem waren dort auf der Liste dann noch 9 weitere Seiten mit völlig legalen Inhalten, eine Gay-Rights-Gruppe aus Thailand, ein Puppenladen .. und ach ja: ein Zensurgegner.

Um jetzt auf den behaupteten Anstieg der Straftaten nach §184b StGB zu kommen: Das berühmte "110%"-Zitat durfte in so einer Pressemitteilung natürlich nicht fehlen:

Die Zahl der Anbieter steigt sprunghaft um bis zu über 110 Prozent im vergangenen Jahr.

Das ist ja eine frei erfundene Zahl, denn, was im letzten Jahr angestiegen ist, ist die Anzahl der Verdachtsfälle für Besitz und Verschaffung, die "gloreiche" Operation Himmel, mit 12.000 Verdächtigen aber fast ohne Verurteilungen, fällt einem da gleich ein.

Der BKA-Lagebericht ist da ganz auskunftsfreudig:

Kinderpornografie / sexueller Missbrauch von Kindern

  • Kinderpornografie ist die Dokumentation von Kindesmissbrauch, schwerster Straftaten gegen Kinder.

  • Die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet seit Jahren einen konstanten Anstieg beim Besitz, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornografie (2007: 11.357 Fälle; Steigerung um 55% gegenüber 2006: 7.318 Fälle).

  • Bei der Besitzverschaffung von Kinderpornografie durch das Internet war von 2006 auf 2007 sogar ein Zuwachs von 111% festzustellen (von 2.936 auf 6.206 Fälle)(Angabe aktualisiert am 26.11.2008).

  • Die Dimension der Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet in Deutschland verdeutlicht die Anzahl der Beschuldigten in einzelnen großen Ermittlungskomplexen allein in Deutschland (z.B. Operation Marcy: 530; Operation Penalty: über 1.000; Operation Mikado: 322; Operation Himmel: 12.000; Operation Smasher: 987).



Er verschweigt aber auch Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik 2007 (Seite 33) (vielen Dank an netzpolitik.org für den Artikel Zahlenspiele des Familienministeriums):











































Straftaten(Gruppen)20072006Diff.Proz.
1432Verbreitung kinderpornographischer Schriften (Erzeugnisse) durch gewerbs-/bandenmäßiges Handeln, gemäß § 184b Abs. 3 StGB347124223179,84%
1433Besitz/Verschaffung von Kinderpornographie gemäß § 184b Abs. 2 und 4 StGB88324545428794,32%
1434Verbreitung von Kinderpornographie gemäß § 184b Abs. 1 StGB25252773-248-8,94%
XXX
Punkt 1432 + 1434 (Verbreitung)28722897-25-0,86%

Die Anzahl der Straftatbestände "Verbreitung" ist also mehr oder weniger konstant!

Jetzt kommt aber noch ein Hammer:

Einzelne Seiten, die das BKA unter Kontrolle hat, werden bis zu 50.000 Mal im Monat geladen. Die Opfer dieses Millionen-Geschäfts sind immer jünger. 80 Prozent sind unter zehn Jahre alt, 33 Prozent unter drei und zehn Prozent unter zwei.

Entweder dieser DPA-Mitarbeiter hat keine Ahnung oder das BKA verbreitet Material, dass nach §184b StGB strafbar ist?

Die werden doch nicht zulassen, dass da weiter solches Material verbreitet wird, damit sie ein paar Leute mehr schnappen können? Die dann Straftaten begehen, die ohne die Provokation seitens des BKA nicht möglich gewesen wären?

Ohne weitere Worte

Christian; Vorstand MOGIS

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