Ein kleiner Exkurs in Sachen Staatsrecht (v9)

Oder auch: Liebe Bundesregierung: 6, Setzen!

Nun zu einem Leyenhaften Vortrag:

Grundsätzliches

Im Grundgesetz gibt es Grundrechte mit unterschiedlichen Beschränkungsmöglichkeiten:

    • Grundrechte mit einfachem Gesetzesvorbehalt
      Eingriffe nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. An das eingreifende Gesetz werden keine besonderen Anforderungen gestellt. (Artikel 10 Absatz 2 1 Grundgesetz)
    • Grundrechte mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt
      Eingriffe nur durch oder aufgrund eines Gesetzes, stellt aber gesonderte Anforderungen an das einschränkende Gesetz (Artikel 5 Absatz 3 1 Grundgesetz; Kunst, Lehre und Forschung sind frei)
    • Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt
      Das Grundgesetz sieht gar keine Eingriffe durch oder aufgrund eines Gesetzes vor. Aber: werden beschränkt durch kollidierendes Verfassungsrecht (das m.E. dürfte auf Artikel 19 Absatz 3 zutreffen)

Dabei muss immer eine Verhältnismäßigkeit geprüft werden:

    1. Das Gesetz braucht einen klar definierten legitimen Zweck
    2. Das Mittel muss geeignet/erfolversprechend sein. Definition: Das Mittel ist geeignet, wenn der mit ihm verfolgte Zweck überhaupt erreicht werden kann.
    3. Das Mittel muss erforderlich/notwendig sein. Definition: das Mittel ist nur dann erforderlich, wenn es keine mildere Maßnahme gibt.
    4. Das Mittel muss angemessen/verhältnismäßig sein. Definition: das Mittel ist angemessen, wenn der beabsichtigte Zweck (Erfolg) nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs steht.

Erster Versuch einer Analyse

Fangen wir mit dem Zweck an: Weil, einen klar definierten und legitimen Zweck brauchen wir ja noch .. Hmmm .. Bekämpfung von Kinderpornographie? .. Vielleicht ein wenig zu unkonkret ..

Achja .. es geht ja vorgeblich um die Bekämpfung von sexuellem Missbrauch an Kindern also:

    1. Zweck: Schutz der sexuellen Selbstbestimmung der Kinder
    2. Geeignetheit/Erfolg: DNS-Umleitungen verhindern das Kinder missbraucht werden .. Hmmm .. Sehr fraglich .. wer weiss wie viele Kinder missbraucht werden, ohne dass jemand ein Video davon anfertig, auch wird ja nicht beim Täter sondern beim Konsumenten zugegriffen -> ungeeignet (Die Regierung sagt auch selber, dass "die Vorschrift auf eine Handlungspflicht ausgerichtet ist, nicht auf einen Erfolg") (Das muss man sich mal reinziehen, damit kommt man heute in Deutschland durch!)
    3. Erforderlichkeit/Notwendigkeit: Es gibt keine mildere Maßnahme, die den selben Zweck erreicht .. Naja .. ziehmlich offensichtlich .. man bekämpft den Missbrauch und das Material an der Quelle .. das würde sogar helfen, wenn der Zweck des Gesetzes wäre: "Verringerung der Verbreitung von kinderpornographischen Material" -> nicht erforderlich
    4. Angemessenheit/Verhältnismäßigkeit: Die Eingriffe in Artikel 5(Meinungsfreiheit{Einen Link setzen, damit im Bezug auf den Kontext des Links eine Meinung äußern} Rezipientenfreiheit{Einem Link folgen, sich frei informieren}), Artikel 10 Absatz 1(Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses{Eine Kommunikation fand statt}), Artikel 19 Absatz 4(Rechtsweggarantie{Das BKA in seiner göttlichen Dreifaltigkeit .. ähm Dreieinigkeit}) sowie Artikel 19 Absatz 1 (einschränkendes Gesetz muss Artikel nennen{bisher ist im Entwurf nur Artikel 10 genannt}) sind verhältnismäßig .. Naja .. vielleicht gerade noch so ..

Aber es geht ja um "Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen". Also:

Zweiter Versuch einer Analyse

    1. Zweck: Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen .. Die Bekämpfung als Zweck? .. Das Handeln selbst als Ziel? .. Ist also der Weg das Ziel? .. Sind das neuerdings alles Buddhisten in der Regierung? .. Wie soll denn eine Erfolgskontrolle aussehen? .. Noch mehr Fallzahlen? .. Erfolg also durch erhöhte Fallzahlen? .. Im Gegensatz zu verringerten Fallzahlen als Erfolg, wenn das Ziel z.B. die "Veringerung der Verbreitung von Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" wäre!
    2. Geeignetheit/Erfolg: DNS-Umleitungen verhindern Verbreitung von Kinderpornographie .. Hmmm .. Sehr fraglich .. Man kann ja doch recht schnell einen alternativen Nameserver einrichten .. Ach Ja .. wegen des Nichterfolgs kann man natürlich dann später ein wenig an einer Verschärfung drehen: ist auch schon mal angekündigt: Den Diensteanbietern bleibt es “unbenommen, sich für eine andere Sperrtechnik mit größerer Eingriffstiefe zu entscheiden” -> ungeeignet (Die Regierung sagt ja zudem auch selbst, dass "die Vorschrift auf eine Handlungspflicht ausgerichtet ist, nicht auf einen Erfolg") (Das muss man sich mal reinziehen, damit kann man in Deutschland heute regieren!)
    3. Erforderlichkeit/Notwendigkeit: Es gibt keine mildere Maßnahme, die den selben Zweck erreicht .. Naja .. ziehmlich offensichtlich .. man bekämpft den Missbrauch und das Material an der Quelle .. dann bekommt man vielleicht so gar ein paar richtige Verbrecher zu fassen .. und kann die Kinder aus diesen Verhältnissen holen -> nicht erforderlich
    4. Angemessenheit/Verhältnismäßigkeit: Die Eingriffe in Artikel 5(Meinungsfreiheit{Einen Link setzen, damit im Bezug auf den Kontext des Links eine Meinung äußern} Rezipientenfreiheit{Einem Link folgen, sich frei informieren}), Artikel 10 Absatz 1(Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses{Eine Kommunikation fand statt}), Artikel 19 Absatz 4(Rechtsweggarantie{Das BKA in seiner göttlichen Dreifaltigkeit .. ähm Dreieinigkeit}) sowie Artikel 19 Absatz 1 (einschränkendes Gesetz muss Artikel nennen{bisher ist im Entwurf nur Artikel 10 genannt}) sind verhältnismäßig .. Ohne viele weiter Worte!

Ach, was solls, da muss ich der Bundesregierung doch einfach mal Recht geben, was soll denn der ganze Scheiß mit dem Grundgesetz, das wurde doch eh nur für diese Grundrechtswahrer erfunden, die ständig nach Karlsruhe pendeln wollen, sind doch wirklich alles Karlsruhetouristen diese Reichsbedenkenträger.

Ein Fazit

Für so ein ungeeignetes Gesetz welches weder erforderlich ist, noch einen klar definierten Zweck hat, da kann man doch nicht auf ein paar popelige Grundrechte Rücksicht nehmen.

Bei zu vielen Entscheidungsträgern in diesem Land scheint beim Thema Kindesmissbrauch der Verstand auszusetzen. Das Thema braucht keinen blinden Aktionismus. Dazu ist es viel zu sensibel.

 

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